Frau Bilchugova, erzählen Sie uns erst einmal etwas über sich und Ihren medizinischen Ansatz.
In meiner ärztlichen Praxis folge einem ganzheitlichen Ansatz, der sich auf eine umfassende Ausbildung und eine langjährige praktische Erfahrung stützt. Ich stamme aus St. Petersburg, lebe aber schon seit vielen Jahren in Italien, wo ich auch den Großteil meines Studiums absolviert habe: Auf das Doktorat in Medizin und Chirurgie folgten verschiedene Masterstudiengänge, darunter in den Fachbereichen Prävention, Anti-Aging, Trichologie, Ernährungsmedizin und Traditionelle Chinesische Medizin.
Was hat Sie dazu bewogen, sich auf dem Gebiet der Komplementärmedizin zu spezialisieren?
Die Verdienste der modernen Schulmedizin bei der Behandlung von akuten Symptomen, Infektionen und wann immer sofortiges Handeln angesagt ist, sind wohl unbestritten. Doch mit der Zunahme von chronischen und degenerativen Erkrankungen, wächst der Bedarf an maßgeschneiderten und weniger invasiven Therapien, u. a. um den negativen Folgen eines allzu hohen Medikamentenkonsums bzw. den Wechselwirkungen zwischen unterschiedlichen Medikamenten entgegenzuwirken. Und da kommt uns die Komplementärmedizin zur Hilfe, die keine Alternative zur Schulmedizin ist, sondern diese ergänzt und mit der sie synergetische Effekt erzielt.
Sie beschäftigen sich hauptsächlich mit der Traditionellen Chinesischen Medizin. Können Sie uns in wenigen Sätzen erklären worum es dabei geht?
Die Traditionelle Chinesische Medizin (kurz TCM) basiert auf dem Prinzip des fließenden Qi, der Lebensenergie, die in unserem Organismus durch bestimmte Energiebahnen (Meridiane) zirkuliert. Damit der Mensch gesund bleibt, muss das Qi im Körper gut verteilt sein. Jede einzelne Zelle braucht die richtige Menge an Qi, damit sie ihre Funktionen erfüllen kann. Um den Energiezustand zu verbessern oder Energieblockaden zu lösen, legt uns die TCM vielfältige Methoden in die Hände: Akupunktur und Moxibustion, Kräutermedizin, verschiedene Massagetechniken und Körperübungen in Verbindung mit Atemtechniken wie Tai-Chi und Qi-Gong. In meiner ärztlichen Praxis arbeite ich vor allem in den Bereichen Akupunktur, Pflanzenheilkunde und Diätetik.
Für wen ist die Traditionelle Chinesische Medizin geeignet?
Die TCM ist ein ganzheitliches Konzept, das auch einen ausgewogenen Lebensstil miteinschließt, deshalb kann jeder von ihren Lehren profitieren. Was aber nicht heißt, dass sie nicht auch heilen kann. Besonders groß sind die Erfolge bei Muskel- und Gelenkschmerzen, Verdauungsproblemen, Fibromyalgie, diversen Hautproblemen und bei stressbedingten Symptomen, wie Angstzustände, Schlaflosigkeit und chronische Müdigkeit. Außerdem hat sich die TCM auch bei der Behandlung der Nebenwirkungen besonders invasiver und langwieriger Therapien - wie Chemo- und Radiotherapie - bewährt.
Bald steht der Winter vor der Tür: können Sie uns verraten wie man sich mithilfe der TCM für die kalte Jahreszeit wappnen kann? Und was tun Sie persönlich, um unbeschadet durch den Winter zu kommen?
Laut TCM ist der Winter dem Funktionskreis der Niere zugeordnet. Deshalb konzentriere ich mich beim Qi-Gong vor allem auf Übungen, die das Nieren-Qi nähren und die Anpassungsfähigkeit des Körpers an die Kälte stärken. Außerdem stehen nun an Stelle von Rohkost und Salaten, wärmende Gerichte auf dem Speiseplan: Eintöpfe, Suppen, Gemüseaufläufe, geröstete Samen; dazu jede Menge Ingwertee. Und um Erkältungen vorzubeugen nehme ich regelmäßig Huang-Qi-Pulver ein, ein immunstimulierendes Heilmittel aus der Astragalus-Wurzel. Wie Sie sehen, handelt es sich um einfache Maßnahmen, die sich leicht in den Alltag integrieren lassen.
Eine Kuriosität aus dem alten China?
In vergangenen Zeiten stand der Präventions-Aspekt im Vordergrund: ein chinesischer Arzt wurde von seinem Patienten nur so lange bezahlt, so lange der Patient gesund war. Sobald ein Patient krank wurde, musste der Arzt für die Kosten der Behandlung aufkommen. Daher rührt wohl auch das Zitat des berühmten Meisters Ch'in Yueh Jen: "Gute Ärzte behandeln gesunde Menschen, unfähige Ärzte heilen Kranke!
Frau Dr. Bilchugova, vielen Dank für das Gespräch. Wir wünschen Ihnen einen guten Start!