ADLER Spa Resort & Lodges
Der Dirigent der vielen Teller
Täglich bringt er hundertfach Glück auf den Teller. Dafür agiert Küchenchef Leonhard Rainer fast im Verborgenen. Und orchestriert sein Team im ADLER Dolomiti mit Ruhe, Präzision und viel Kreativität.
»Authentische Regionalküche und mediterrane Leichtigkeit ist für mich die perfekte Kombination.«
Der Empfang ist herzlich, das Büffet ein Gemälde, jeder Teller ein Gedicht. Neben einem stets zuvorkommenden Service ist das alles, was der Gast vom Abendessen wahrnimmt. Er kann Qualität, Kreativität, Perfektion erwarten, von der ersten Vorspeise bis zum letzten Dessert. Dass dafür vor dem Speisesaal und hinter einer Flügeltür aus Holz ein aufwändiges menschliches Räderwerk ineinanderläuft, muss er nicht wissen. Obwohl gerade davon alles abhängt. Im Reich des Leonhard Rainer, dem Dirigenten hinter der Flügeltür, agieren 20 Köche. Jeder kennt seine Wege, Handgriffe, Instrumente. In Rainers Küche herrscht konzentrierte Betriebsamkeit, von Chaos keine Spur. Alles ist tausendfach erprobt. Die Szenerie erinnert an die Inszenierung eine Symphonie. Und wenn am Abend die Gäste in großer Erwartung ins Restaurant kommen, erhöht der Dirigent das Tempo für den nächsten Satz.
Inmitten dieses faszinierenden Instrumentariums aus Körpern, Pfannen, Töpfen, Mixgeräten und Herden wirkt Leonhard Rainer wie ein Pol der Ruhe. Kräftig gebaut und das dunkle Haar hinter dem Kopf zusammengebunden, macht er seine Ansagen mit Bedacht, hat alles im Blick und für jeden ein Ohr. Rainer ist Chefkoch des ADLER Dolomiti, kennt seine Küche ein halbes Leben lang. Seit über 20 Jahren gibt er hier den Takt vor, sorgt für Spannung und Abwechslung auf dem kulinarischen Spielplan.
Wenn er von seinem Wirken erzählt, schöpft er aus dem Vollen. Ausführlich doziert er über das Kunststück, Hochgenuss für Hunderte zu produzieren. Oder über den Einkauf: »Beste Ware ist Pflicht, wir kaufen viel regional, viel in Italien, im Ausland nur, wenn es nicht anders geht.« Er lässt aber auch den psychischen Druck nicht aus, der mit dem Beruf verbunden ist. Rainer: »Der Glamour ist draußen, im Speisesaal.« Vier Menüs bietet seine Küche an: ein regionales, ein italienisch-internationales, ein vegetarisches und die ADLER Highlights. Suppen, Terrinen, Pasta, Fisch, Fleisch, Desserts. 20 Gerichte und mehr jeden Abend. Kochkunst in Serie. Und wünscht ein Gast Langusten oder Hirschgulasch, bekommt er es, nach Möglichkeit sofort, spätestens aber am nächsten Tag. »Wir sagen selten nein«, sagt Rainer. »Mit demselben hohen Anspruch gehen wir aber auch den Mittelweg. Bieten Einfaches an wie Spaghetti mit Pesto. Unsere Gäste lieben diese Abwechslung.« Als Küchenchef wäre er an keinem anderen Schauplatz besser aufgehoben. »Ich mag die Südtiroler Küche und die italienische«, sagt Rainer: »aber die Verbindung der beiden, die liebe ich.« Nord und Süd, authentische Regionalküche und mediterrane Leichtigkeit – für ihn »eine perfekte Kombination«. Und vielseitig: Ständig entwickeln Rainer und sein Chefkoch-Kollege Daniele Gaudiello neue Kreationen. Sie harmonieren sichtlich, der Südtiroler und der Süditaliener aus Kampanien. »In der Hinsicht bin ich absolut offen«, sagt Rainer: »So ist die moderne Küche, so soll sie sein.«
»Früher wurde ein Hackbraten so gemacht, wie er immer gemacht wurde. Wehe, da kam jemand auf die Idee, etwas zu ändern.«
Das Kochen begleitet ihn seit früher Kindheit. Auf dem elterlichen Martinshof in Niederried nahe Sterzing packt jeder mit an. Leonhard, siebtes von zehn Kindern, hilft bei der Gemüseernte, beim Schlachten, beim Füttern oder Melken. Kocht Gerstensuppe, Surfleisch, Schlutzkrapfen für die Gäste der Ferienwohnungen mit. Mit 15 Jahren geht er als Aushilfe ins Berghotel »Hohe Gaisl« im Pustertal, dass die Schwester gepachtet hat. Morgens um halb sieben fährt er von 2000 Metern ins Tal, holt Brot fürs Frühstücksbüffet. Die Arbeit ist ein Knochenjob, dauert meist bis Mitternacht, im ersten Jahr hat er zwischen Juni und Mitte November keinen Tag frei. Danach beginnt er eine Kochlehre, die er bei Andreas Gfader im Gasthof »Ansitz Fonteklaus« beendet, einem der bekanntesten Restaurants Südtirols. »Eine Herausforderung«, erinnert sich Rainer und fügt hinzu: »Wäre ich nicht mit harter Arbeit aufgewachsen, hätte ich es wohl nicht geschafft.« Als das Fonteklaus 1991 vorübergehend schließen muss, überbrückt Rainer die Sommersaison im ADLER in St. Ulrich. Nach nur zwei Wochen macht der damalige Küchenchef den 19-Jährigen zum Chefsaucier, verantwortlich für alle Hauptspeisen sowie Soßen. »Das ADLER war damals schon ein Begriff, es war eine Ehre, dort arbeiten zu dürfen.« Also will Rainer beweisen, dass er seine Beförderung verdient. Und verausgabt sich. Nach einigen Jahren braucht er Abstand. Über Stationen in Brixen, Bibione, München und Hamburg kommt er nach Antholz, wo er im »Ansitz Heufler« erstmals Chefkoch wird. 1999 kehrt er zurück ins ADLER. Der kulinarische Anspruch ist dort inzwischen höher denn je, das Haus gut besucht bis ausgebucht. »Bis 200 Gäste am Abend ist alles easy«, sagt Rainer, »ab 250 wird es schwierig, bei 280 oder sogar 300 Gästen sind die Belastungen schon extrem.«
Nicht ohne Grund sind im ADLER Dolomiti ständig vier Köche nur mit Extrawünschen außerhalb des Menüs beschäftigt – Spaghetti Carbonara, Wiener Schnitzel oder eine Seezunge. Aber inzwischen auch vegane und glutenfreie Gerichte sowie besondere Zubereitungen aufgrund von Allergien. Von 7 Uhr morgens bis mindestens 10.30 Uhr abends wird praktisch pausenlos gekocht.
Aber der Job eines Chefkochs verlangt mehr. Organisation, Personalführung, und ja: Stressmanagement. »Der beste Küchenchef muss nicht der beste Koch sein. Er muss ein Team führen und motivieren können. Er muss Talente erkennen und fördern, muss Disziplin einfordern, aber auch Freiheiten gewähren können«, sagt Rainer. Denn jeder Dirigent ist nur so gut wie sein Orchester. Rainer lobt seinen Kollegen Gaudiello deshalb genauso wie Claudio Munno, der seit 12 Jahren an seiner Seite die Vorspeisen macht. Er lässt Jungköche und Lehrlinge Vorschläge machen. Er beteiligt sein Team, wenn er Gerichte verändern will oder neue entwickelt. Und er lädt Sterneköche für Seminare nach St. Ulrich ein, die für frische Impulse sorgen sollen. »Früher wurde ein Hackbraten so gemacht, wie er immer gemacht wurde. Wehe, da kam jemand auf die Idee, etwas zu ändern.« Früher haben Chefs geschrien und getobt, wenn ein Topf Nudeln vom Herd fiel. »Das funktioniert so nicht mehr«, sagt Rainer: »aber ich würde immer wieder Koch werden. Gerade heute. Das ist inzwischen ein ganz anderer Beruf.«